Pelzig gefällt‘s nicht

10.1.2019

 

Kennt ihr das, wenn ihr eine ganz gute Kabarett-Sendung auf Youtube schaut und da tritt ein Comedian auf, den ihr bisher für ganz passabel gehalten hattet und dann sagt der seinen Text auf und ihr denkt „Ich hab wohl nicht richtig gehört?!“? 

Mir letztens so passiert. 

Habe mich nichtsahnend durch das Youtube-Angebot zum Thema Klimawandel geklickt und dachte, och, Die Anstalt vom 18.12.2018, die guck ich jetzt mal. Der Pelzig war doch immer ganz okay. 

Mit dem komischen Rant, den der alte Mann da ablässt hatte ich allerdings nicht gerechnet. Im Grunde stellt er sich mit der schönsten, reinsten Emotionalität gegen den Slogan „jeder Einkaufszettel ist ein Wahlzettel“ und zählt all die Dinge auf, die er „als Verbraucher“ eben nicht will und auch niemals so entschieden hat. Zum Beispiel schimpft er darauf, dass Deutschland in Europa der größte Fleisch-Exporteur ist und auf die schlimmen Folgen für Mensch und Natur, die das so hat. Pelzig schimpft weiter, dass er „niemals sein Einverständnis“ für dies und das gegeben hat, was eben alles marktwirtschaftlich so hierzulande gemauschelt wird und dass er es ziemlich leid ist, als Verbraucher zur moralischen und als Steuerzahler zur monitären Kasse gebeten zu werden. Er nimmt die Verbraucher in Schutz und zeigt auf, wo die große Ungerechtigkeit ist: Lückenhafte Informierung der Verbraucher und anschließend Doppelmoral an jeder Ecke in der Politik, nach außen hin aber natürlich Gutmenschen-Heuchelei und ein Fingerzeig auf den ach so bösen Verbraucher, der die Politik ja durch seine Kaufentscheidung zwingt Fleisch zu subventionieren und Schlachtbetriebe unnatürlich aufzublasen, sodass Mensch und Tier für den Konsumenten unverhältnismäßig zu leiden haben. 

Komik ist ein Thema für sich. Wenn man mal darauf achtet, an welchen Stellen die Menschen so lachen, erfährt man ungemein viel über eine Gesellschaft. Das Rezept bei Pelzig scheint: finde den wunden Punkt des Publikums und schimpfe in seinem Namen den Leuten alles von der Seele, was sie bis dato weder denken noch schimpfen konnten. 

Ja, wir werden nicht gründlich genug informiert. Ja, es ist ganz schön anstrengend, sich täglich selbst zu erinnern: das System, in dem ich lebe, suggeriert mir Dinge, die ich wollen soll, aber diese Dinge brauche ich weder, noch kann man es eigentlich bringen, eine Wirtschaft zu unterstützen, die Fleisch, Handys oder sonstwas auf die Art und Weise herstellt, auf die sie sie nunmal herstellt. Ist alles nämlich ganz schön gruselig. Und ich brauche bestimmt noch meine Zeit, bis ich nach und nach aus dem System ausgestiegen bin. 

Die allermeisten Menschen denken, wenn überhaupt, maximal einmal in zwei Wochen an diese Zusammenhänge, gehen sonst arbeiten, gucken danach Werbespots und kaufen Rügenwalder Teewurst oder sie schauen sich beim Nachbarn ab, was sie ihrer Frau als nächstes bei Douglas zu Weihnachten kaufen werden. 

Ein ganz normales Leben im Absurdum eben. Obwohl der Bürger es eigentlich besser weiß, ändert er sein Kaufverhalten nicht oder kaum. Und an dieser Stelle nimmt Pelzig uns Bürger in Schutz. Er klebt ein Pflaster auf die wunde Stelle in unserer Seele, er sagt uns, dass nicht wir schuld sind, sondern zieht das Schwert gegen die Konzerne und die tief in Lobbys verstrickten Politiker. Er läuft richtig rot an und irgendwann brüllt er fast die ganze Palette runter: „Ich bin schuld am Klimawandel wenn ich fliege, ich bin schuld an der Ausbeutung wenn ich ein iPhone kaufe, ich bin schuld am Einzelhandelsterben, wenn ich bei Amazon bestelle...“ und und und. Das Publikum lacht nicht nur, es klatscht auch tosenden Beifall. Wunder Punkt offensichtlich erwischt. 

Das Problem ist: Pelzig führt uns in die Irre. Nicht, dass er nicht auch recht hätte. Aber natürlich ist er nunmal auch schuld an all diesen Dingen, wenn er wirklich so lebt und fliegt und Fleisch isst und bei Amazon bestellt. 

Aber er benutzt einen Taschenspieler-Trick und verlagert die wichtige Emotion (die Wut) in Richtung unserer Befindlichkeit und damit ins politische Nichts. Dass Politiker lügen, um Wahlen zu gewinnen, dass Wahrheiten bis aufs Unkenntliche gedehnt werden und unsere Wirtschaft ein Interesse an Billigfleisch hat ist doch echt nichts neues. Es geht hier doch nicht mehr um dieses kleine, unwichtige Detail, wer da angefangen hat, sondern es geht darum, wer als Erster aufhört. Und das können eben nur wir, die Konsumenten sein. Die Zeit hat jetzt nicht gerade gezeigt, dass wirtschaftliche Interessen, kaum als solche entlarvt, auf einmal wie Staub in sich zusammenfallen zugunsten einer humanen und ökologischen Politik, oder? Und dennoch: kein Wirtschaftszweig kann lange mächtig sein, wenn er keinen Absatz mehr findet. Was im Regal liegen bleibt, wird aus dem Sortiment genommen. Das sind die Regeln des Marktes. 

Pelzigs Emotion ist ganz süß, aber eben auch nicht mehr. Was mich an dem Video aber regelrecht erschreckt, ist eher, wie laut die Leute mitgehen, wie sehr ihnen offenbar aus der Seele gesprochen wird. Man merkt, dass allein in dem Saal dort die Mehrheit der Menschen mit ihrer politischen Verantwortung emotional überhaupt nicht mehr umgehen kann. 

Was jetzt allerdings das einzig Spannende wäre, wäre eine innere Haltung, die mit sich im Reinen ist und die wirklich radikal damit beginnt, ihr Konsumverhalten zu verändern. Ich kann ja verstehen, dass man sich über die Machenschaften der Politiker aufregt. Aber ich kann es ehrlich gesagt nicht mehr verstehen, wenn man von Wissenschaftlern aufgezeigt bekommt, dass man sich jetzt zwischen seinem Stück Wurst und der Zukunft der Menschheit entscheiden muss – und dann die Wurst wählt. 

Sorry, aber ich sehe da einfach beim besten Willen kein schweres Joch unter dem ich als Konsumentin da ächzen soll. Lass ich die Wurst halt weg.